ARMIN RISI
… warum immer mehr Menschen Vegetarier werden. Erschienen im Lichtfokus-Magazin Nr. 47 / Herbst 2014
Essen bedeutet »etwas zu sich nehmen«. Was wir essen, prägt uns. Wenn Menschen Fleisch aus Massentierhaltungen und Schlachthöfen zu sich nehmen, nehmen sie auch die in diesem Fleisch gespeicherten Angsthormone zu sich, von den vielen Aufputschmitteln, Pharmazeutika und Impfstoffen ganz zu schweigen. Die durch die Fleisch- und Futtermittelproduktion verursachte Umweltzerstörung ist existenzbedrohend, die den Schlachttieren zugefügte Gewalt himmelschreiend. Deswegen reduzieren viele Menschen ihren Fleischkonsum, und die Zahl der vegetarisch lebenden Menschen wächst täglich.
Ist Fleischessen »natürlich«?
Der Mensch ist gefühlsmäßig kein Fleischesser. Damit er Fleisch essen kann, muss das Fleisch abgehangen, gewürzt, bearbeitet und gekocht bzw. gebraten werden. Ein rohes Stück Fleisch zu essen würde instinktiv Ekel hervorrufen.
Auch von der Anatomie her ist der Mensch nicht für das Essen von Fleisch bestimmt. Fleischfressende Tiere haben einen kurzen Darmtrakt (zwei- bis maximal dreimal die Körperlänge), so dass das rasch faulende, toxische Fleisch den Körper schnell verlassen kann. Da sich pflanzliche Nahrung wesentlich langsamer zersetzt als Fleisch, haben pflanzenfressende Tiere – wie z.B. die Großprimaten – einen langen Darmtrakt. Dies trifft auch auf den Menschen zu. Er hat eine differenzierte Darmstruktur (Darmzotten, Dünndarm mit Zwölffingerdarm), und der gesamte Verdauungstrakt ist deutlich länger als die obengenannte zwei- bis maximal dreifache Körperlänge (Dünndarm 4 bis 4,5 m, Dick- und Mastdarm 1,5 m, Speiseröhre und Magen 0,6 m, insgesamt also 6 bis 6,6 m, das heißt rund dreieinhalbmal so lang wie die Körpergröße).
Alle Tiere wissen instinktiv, was gut für sie ist und was nicht. Wie weit hat sich der Mensch von seinen natürlichen Instinkten entfremdet, dass ihn das unsägliche Leid der Tiere nicht berührt und er deren Fleisch sogar noch essen kann? An Filmaufzeichnungen über Massenställe, Tiertransporte, Schlachthöfe, Vivisektion, Tierquälerei für Felle, Wolle usw. mangelt es eigentlich nicht. Diese Verachtung und Gewalt gegenüber den Tieren ist Ausdruck eines unmenschlichen Geistes und ein Beispiel für das, was in meinem Artikel im Lichtfokus Nr. 45 (Frühling 2014), »Der Elohim-Code – Die kosmischen Wurzeln der Menschheit«, als Auswirkung der Trennung und Illusion erwähnt wurde.
Wenn ich hier mit krassen Hinweisen daran erinnere, wie weltweit mit den »Nutztieren« umgegangen wird, soll dies keine Verurteilung der Menschen sein, die Fleisch essen. Nicht bei jedem Mensch ist die vegetarische Ernährung der nächste Schritt auf dem spirituellen Lebensweg. Das Fleischessen an sich – vor allem so wie es heute betrieben wird – kann jedoch nicht gerechtfertigt werden und sollte durchaus (selbst)kritische Gedanken auslösen.
Fleischessen ist nicht nur Privatsache
Die Fleischproduktion erfordert Monokulturen. Die Monokulturen erfordern den Einsatz vieler Pestizide, Herbizide usw. Die Chemikalien gehen ins Grundwasser, in die Bäche und Seen und schaden den Bienen. Die Massentierhaltung produziert Unmengen an Gülle und Treibhausgasen. (Gemäß einer bekannten Studie der Welternährungsorganisation FAO von 2006 ist die Viehzucht weltweit schädlicher für das Klima als der gesamte Autoverkehr!) Die Fleischproduktion ist Ursache von Umweltzerstörung, Wasser- und Nahrungsmittelverschwendung bis hin zum Hunger in den Entwicklungsländern. Dennoch wird weltweit viel und immer mehr Fleisch »produziert«, und zwar mit extremer staatlicher Subventionierung.
Fleisch bedeutet eine gewaltige Verschwendung und Vernichtung von Nahrungsmitteln: Um 1 kg Fleisch zu erzeugen, benötigt man 10 bis 16 kg Getreide oder Sojabohnen. Hinzu kommt der Aufwand an Wassermengen. Zur Erzeugung von 1 kg Getreide braucht es ca. 100 Liter Wasser. Um 1 kg Fleisch zu erzeugen, braucht es 5.000 bis 15.000 Liter Wasser (von der Futtermittelproduktion und Tieraufzucht über die Stallreinigung bis hin zum Wasserverbrauch in den Schlachthöfen).
»Sie [die heutige Landwirtschaft] beseitigt oder vereinheitlicht nicht nur sämtliche Landschaftsformen, die ihr bei der Steigerung der Produktion im Wege stehen, und setzt rücksichtslos Herbizide, Pestizide und Fungizide ein. Noch gravierender sind die Schäden, die sie mit ihrem exzessiven Düngemitteleinsatz anrichtet.« (»Deutschland ertrinkt in der Gülle.« (Spektrum der Wissenschaft, Mai 2005, S. 99)
Fleisch & Milch als Proteinquellen?
Die Werbung besagt, wenn man kein Fleisch esse, bekomme man Mangelerscheinungen, vor allem die Kinder müssten Fleisch essen und Tiermilch trinken. Die Fakten zeigen jedoch etwas anderes: Die Milch von Kühen ist für die Kälber und deren Bedürfnisse abgestimmt, und diese sind ganz anders als die eines menschlichen Kindes. Ein Kalb steht von den ersten Minuten an auf seinen Beinen und wächst sehr schnell, weshalb es eine entsprechende Nahrung benötigt. Ein Kleinkind erhebt sich nicht sogleich auf die Beine, sondern entwickelt zuerst hauptsächlich das Gehirn. Tiermilch jedoch ist nicht auf das Gehirnwachstum ausgerichtet, sondern unterstützt den zum Überleben des jungen Tieres notwendigen körperlichen Wachstumsschub. Kaum ist das Tier etwas älter, hört es mit dem Milchtrinken auf. Es trinkt also nicht einmal mehr die arteigene Milch!
Hinzu kommt, dass die im Fleisch und in der Milch enthaltenen Proteine für den menschlichen Körper nur mit einem erheblichen Energieaufwand (und nie zu 100%) abbaubar sind, denn die Bausteine der Proteine, die Aminosäuren, werden vom tierischen Organismus entsprechend der eigenen Art zusammengefügt und müssen vom menschlichen Körper zuerst wieder aufgespalten werden. Demgegenüber kann unser Körper die Aminosäuren aus Pflanzen und Früchten direkt aufnehmen und sie mit Energiegewinn zur richtigen Form von menschlichen Proteinen zusammenfügen. Interessanterweise essen die Menschen nur vegetarisch lebende Tiere! (Auch Schweine sind von Natur aus weitgehend vegetarisch.)
Echte Bio-Milchprodukte in geringer Menge sind für den Stoffwechsel eines gesunden Menschen kein Problem, aber bei all diesen Fragen sollten nicht nur »wir« das Kriterium sein. Die Milchproduktion hängt direkt mit der Fleischproduktion zusammen, auch auf Bio-Betrieben, aber erst recht in der industriellen Tierwirtschaft. Die Massenmilch ist nicht mehr wirklich »Milch«, denn sie ist auf vielfache Weise verarbeitet, allein schon damit sie haltbar ist. Nicht zu vergessen sind die Pharmazeutika, die den Kühen gefüttert und eingeimpft werden – und dann in konzentrierter Form im Fleisch und in der Milch enthalten sind.
Fleischproduktion & Welthunger
»Die Erde hat genug für die Bedürfnisse eines jeden Menschen, aber nicht für seine Gier.« Mahatma Gandhi
Weltweit werden rund 50 % der gesamten Getreideernte an Schlachttiere verfüttert. Um ein Rind ein Jahr lang zu mästen, benötigt man 0,5 ha Land. Nach einem Jahr erhält man von diesem Tier rund 300 kg Fleisch. Hätte man während dieses Jahres auf derselben Fläche Getreide oder Kartoffeln angepflanzt, hätte man (mit Bio-Anbau) mindestens 2.000 kg Getreide oder 15.000 kg Kartoffeln ernten können!
Bei der Diskussion des Welthungers werden diese offensichtlichen Faktoren von den offiziellen Stellen peinlichst ausgeblendet. Stattdessen wird von »Überbevölkerung« gesprochen, und es wird betont, der Hunger könne nur durch eine Genmanipulation der Kulturpflanzen bekämpft werden. »Gentechnisch veränderte Organismen« (GVO) werden heute als die große Hoffnung der Zukunft angepriesen. Dabei hat der Welthunger ganz andere Ursachen: Auch heute müsste niemand Hunger leiden oder gar an Hunger sterben, denn wir produzieren mehr als genug Nahrungsmittel für alle Menschen, doch diese werden ungerecht verteilt, indem wir sie verschwenden – vor allem, indem wir sie an Schlachttiere verfüttern – oder tonnenweise vernichten, um den Preis stabil zu halten.
Prof. Jean Ziegler, von 2000 bis 2008 Sonderberichterstatter der UNO-Menschenrechtskommission für das Recht auf Nahrung, schreibt in seinem Buch Wie kommt der Hunger in die Welt? (2000): »Infolge der globalisierten, wild wütenden Kapitalmärkte ist eine Weltordnung entstanden, die den Lebensinteressen der großen Mehrheit zuwiderläuft. Von 6,2 Milliarden Menschen leben 4,8 in einem der 122 so genannten Entwicklungsländer, meist unter unwürdigen Bedingungen. 100.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen. Alle sieben Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Dieser tägliche, stille Völkermord geschieht auf einem Planeten, der vor Reichtum überquillt. Dabei könnte die Erde problemlos 12 Milliarden Menschen hinreichend ernähren« – wenn die Menschen vegetarisch leben würden!
Haben die Menschen nicht schon immer Fleisch gegessen?
Die Evolutionstheorie postuliert, der »primitive Urmensch« habe aufgrund seines größeren Gehirns begonnen, Tiere zu jagen und sich gegenseitig zu bekämpfen. »Die Menschen sind schon immer gewalttätig gewesen, es hat schon immer Kriege gegeben, und das Töten von Tieren gehörte schon immer zum Leben des Menschen.« Dies ist eines der häufigsten Argumente für das Fleischessen: »Die Menschen haben schon immer Fleisch gegessen!«
Selbst wenn diese materialistische Theorie (die ersten Lebewesen entstanden aus Materie, der Mensch entstand aus einer Linie von Tieren) stimmen würde, wäre der Mensch kein Fleischesser, denn die Großprimaten, von denen der Mensch abstammen soll, waren keine Raubtiere und keine Jäger, sondern ernährten sich vor allem von Früchten, Beeren und Blättern.
Auch das Alte Testament hebt hervor, dass die Menschen ursprünglich kein Fleisch aßen, sondern sich von veganer Rohkost ernährten: »Gott sprach: Siehe, ich übergebe euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Das soll eure Speise sein« (1 Mose 1,29). Erst nach der Sintflut wurde dieses Gebot verändert (»Alles Lebendige, das sich regt, soll euch zur Nahrung dienen«, 1 Mose 9,3), aber dies bezog sich auf eine extreme Notlage, als sämtliches Ackerland fortgespült war. Gleichzeitig wurde prophezeit, dass dies eine Ernährungsweise sei, die »Furcht und Schrecken […] zu allen Tieren der Erde, zu allen Vögeln des Himmels, zu allem, was sich auf der Erde regt, und zu allen Fischen des Meeres« bringen werde (9,2). Gleich anschließend (9,6) wird auch die Todesstrafe eingeführt. Warum halten die Menschen – insbesondere die monotheistischen Religionen – auch heute noch an solchen Notstandsgesetzen und Ausnahmeregelungen fest?
Was jeder beitragen kann
Durch den Bewusstseinswandel, der den Menschen Frieden und Harmonie (und eine vegetarische Ernährungsweise) bringen wird, werden wir auch neue Einblicke in unsere eigene Vergangenheit bekommen. Wir sind Wesen mit einem spirituellen Ursprung, genauso wie alle anderen Lebewesen auch. Und auch die Materie hat einen spirituellen Ursprung. Bewusstsein ist nicht ein Produkt von Materie (des Gehirns), sondern es ist gerade umgekehrt: Hinter jeder Form ist Information, und Information ist immer mit Bewusstsein verbunden, auch in den kosmischen Dimensionen (s. A. Risi, »Bewusstsein, Form und Information – Neues Licht auf das Mysterium des Lebens«, Lichtfokus Nr. 41, Frühling 2013).
Mit anderen Worten, die frühen Menschen waren nicht primitive, affenähnliche Wesen. Und die Menschen haben nicht »schon immer Fleisch gegessen«. Vielmehr ist es so, dass die großen Probleme erst dann entstanden, als die Menschen begannen, Tiere zu züchten, um sie zu töten und zu essen – und zu »opfern«. Die Menschheit und auch die Religionen haben sich weit von der ursprünglichen und natürlichen Ernährung entfernt. Ist dies vielleicht mit ein Grund, warum im Namen von Religion so viel Gewalt erzeugt wurde und wird?
Der Dichter und Vegetarier Leo Tolstoj sagte schon im 19. Jahrhundert: »Solange es Schlachthöfe gibt, gibt es auch Schlachtfelder.« Mit dem neuen Bewusstsein werden die Irrtümer des materialistischen Weltbildes korrigiert werden, und die Menschen werden die Tiere und die Pflanzen mit einem neuen Bewusstsein wahrnehmen – und wieder menschlich mit ihnen umgehen. Garantiert wird dies auch den Umgang der Menschen untereinander verbessern. ✦
Armin Risi, geb.1962, lebte als Mönch für 18 Jahre in vedischen Klöstern in Europa und Indien; seit 1998 freischaffender Schriftsteller und Referent; ist Autor von drei Gedichtbänden und neun Sachbüchern zum aktuellen Paradigmenwechsel. www.armin-risi.ch
www.vegetarisch-leben.de